Stuttgart

Published on July 20th, 2018 | by fileto

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Abschluss-Veranstaltung zu Ehren von Nikos Skaltsas, des ehemaligen Zwangsarbeiters Hailfingen, 13.07.18

Abschluss-Veranstaltung zu Ehren von Nikos Skaltsas, des ehemaligen Zwangsarbeiters Hailfingen, 13.07.18

Liebe Gäste, liebe Initiatoren dieser Veranstaltungen,

In der gestrigen Veranstaltung in Oberjensingen, sagte ein älterer Herr zu mir: Ich bin mit ihm Schlitten gefahren. Da drüber, an der Stelle. Warum habt ihr diese Friedenstaube nicht früher hierher gebracht?  Ich habe mich über diese tiefsinnige voll zutreffende Bezeichnung sehr gefreut. Aber auf seine Frage hatte ich keine Antwort. Nur ein schlechtes Gewissen. Ja, lieber Nikos. Du bist eine Friedenstaube. Und alle, die diese einmalige Gelegenheit, Dich kennenzulernen, wahrgenommen haben, benutzen die allerbesten Ausdrücke der deutschen Sprache um Dich zu beschreiben. Ja, dieser Besuch hätte viel früher stattfinden sollen. So wie die deutsch-griechische Geschichte auch viel früher aufgearbeitet hätte werden sollen. Und es ist den Haupt-Initiatoren Volker Mall und Harald Roth zu verdanken, dass das Kapitel „griechische Zwangsarbeiter“ überhaupt zur Aufarbeitung kam. Und mit diesem Besuch und den sehr sinnvoll zielgerichtet geplanten Veranstaltungen, beginnend mit der PresseKonferenz, das Gespräch mit den 10klässigern Schülern im Paul-Klee-Gymnasium, die Begegnung mit Nikos-Spielkameraden in Oberjensingen und die heutige Einweihung, haben wir Nikos die allerbeste Gelegenheit geliefert, seine im Alter von 17 Jahren begonnene traurige Geschichte, mitten unter Freunden im Alter von 92 selbst zu beenden. Was für eine Einmaligkeit! Die Geschichte schreibt Geschichte.  Viele andere deutsch-griechischen Kapitel sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Sie befinden sich erst in der Anfangsphase der Aufarbeitung. In einer Zeit vielfältiger aktueller Weltprobleme, wie Terrorismus, Flüchtlingsströme, EU-Krise und nicht zuletzt einer Demokratie ablehnenden Haltung vieler Populisten, scheint es etwas befremdlich zu sein, die Vergangenheit aufzuwecken und sich mit Ereignissen, die über 70 Jahre (1941-1944) zurück liegen, zu befassen. Was Griechenland betrifft, ernsthaft und sehr ausführlich mit der deutsch-griechischen Vergangenheit hat sich Mark Mazower befasst. Sein Buch Griechenland unter Hitler ist bereits 1993 zum ersten Mal auf Englisch und erst, 23 Jahre später (!), auch auf Deutsch veröffentlicht worden. Welchen Grund hat es gegeben, dass das Buch erst so spät in deutscher Sprache veröffentlicht wurde? Und warum war das Thema „deutsche Besatzung “ viele Jahre nach dem Krieg, sowohl in der deutschen als auch in der griechischen Öffentlichkeit, gar kein Thema? Auch die Bücher Von Wien nach Kalavryta (H. Frank Meyer, 2002) und Winter in Griechenland (Chr. U. Schminck-Gustavus, 2009) sind viele Jahre später erschienen. Der Distomo überlebende Argyris hat seinen Kampf für die Anerkennung des Distomo-SS-Masakers vom 10.06.44 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, mit einem internationalen Historikern-Kongress im historischen Ort Delphi, im Jahre 1994 begonnen. Es folgten viele hervorragenden Bücher, Dokus und Filme zum Thema „deutsche Besatzung“. Stellvertretend erwähne ich hier: „Ein Lied für Argyris“ von Stephan Haupt, „Küsse für die Kinder“ von Basilis Loules, die ZDF-Satire-Sendung DIE ANSTALT und das musikalische Bühnenstück „die Hochzeit in Kommeno“ von Günther Baby Sommer. Das letzte Buch (2018) ist von dem Stuttgarter Wolfang Schorlau „Der große Plan“ geschrieben.
Solche Bücher könnten gleich nach dem Krieg, aus praktischen und anderen Gründen, nicht geschrieben werden. Im Nachhinein bin ich und auch viele Griechen sogar froh, solche Bücher nicht gleich nach unserer Ankunft in Deutschland gelesen zu haben. In diesen Büchern habe ich erfahren, wo, warum und wie meine zwei Opas auf dem Berg Parnon in Arkadien ermordet wurden. Meine Omas haben uns Kindern nichts erzählt. Das habe ich erst 2002 von dem Deutschen H.F. Mayer erfahren. Und das ist wirklich ein Paradox. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass diese Autoren nicht nur über die schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkriegs am Beispiel Griechenlands berichten. Ihre Bücher sind Antikriegswerke. Sie warnen die Menschen vor einer weiteren Katastrophe, die, wenn nichts Grundlegendes passiert, kommen wird. Papst Franziskus meint, der 3. Weltkrieg habe bereits begonnen. Ein Weltkrieg des Geldes. Er fordert die Jugend der Welt auf „unbequem“ zu sein. Er fordert uns auf, alles zu tun, um Kriege überhaupt nicht beginnen zu lassen.  Einen Tag nach dem Massaker von Kalavryta stellten die überlebenden Waisenkinder an den Partisanen-Führer Michos diese Frage: Warum töten wir uns gegenseitig? Dieselbe Frage wird auch heute, von vielen Waisenkindern in der Welt gestellt.  Vielleicht gelingt es uns, möglichst bald die Antwort zu finden und den nächsten Weltkrieg zu stoppen.  Solche Veranstaltungen helfen uns und vor allem helfen die jungen Menschen, z.B. des Paul-Klee-Gymnasiums, den bereits in der Vorbereitung befindenden „Großen Krieg“ in seiner Entstehung zu stoppen. Euch liebe deutsche Freunde von der kz-Gedenkstätte Hailfingen und Dir lieber Nikos, der trotz Deines hohen Alters bereit warst, alle Strapazen auf dich zu laden, um diese nach Deinen Worten  „Herzensangelegenheit“ zu vollbringen, gehört  Respekt und Anerkennung. ΕΝΑ ΜΕΓΑΛΟ ΕΥΧΑΡΙΣΤΩ.

Lieber Nikos, die lokalen Zeitungen haben bereits angefangen über deinen Besuch zu berichten. Dein Besuch hat die deutsch-griechische Freundschaft noch stärker befestigt. Diese Freundschaft, die wir alle hier, bei der einfachen Landbevölkerung, erleben, ist so tief ins uns verankert, sodass selbst ein deutscher Finanzminister, der gerade am heutigen Tag wieder was in Richtung Griechenland los gelassen und was zu meckern hat, diese nicht beschädigen kann. Wir von der griechischen Seite werden unsere Möglichkeiten nutzen, um möglichst viele Menschen über das was in dieser Woche hier passiert ist, zu berichten. Schade dass zu wenig Griechen diese einmalige Gelegenheit wahrgenommen haben, bei diesem deutsch-griechischen Fest des Friedens aktiv dabei zu sein. Dafür entschuldige ich mich. Persönlich bin ich sehr froh Dich lieber Nikos kennengelernt zu haben und ich freue mich auf unsere nächsten und ich hoffe sehr vielen Begegnungen in Athen. Und selbstverständlich werde ich gern Deine Grüße an Deine Freunde hier in Hailfingen, in Tailfingen und in Oberjensingen persönlich übermitteln. Denn sie sind auch meine Freunde geworden. Dr. Konstantin Karras
(Präsident der ΕΕΕ.ΒΒ)
12.07.2018 Antikriegsfeier in Oberjensingen „Nie wieder Krieg“ sagte Nikos Skaltsas und beendete seine Rede heute Morgen vor dem Schafstall. In diesem Stall in Oberjesingen  waren Nikos Skaltsas und weitere 28 griechische Zwangsarbeiter im Winter 1944/45 untergebracht (s. Fotos). In einer von OB Sprißler eröffneten Gedenkt Veranstaltung, gefolgt von einem  spontanen griechischen Dankeswort (EEE.BB) nahm der 92jähriger aus Athen das Mikrophon und schilderte über eine Stunde lang im Stehen, seine Erlebnisse von damals. Unter den Anwesenden waren auch ehemalige Spielkameraden. Jungs aus dem Dorf mit denen die Zwangsarbeiter Fußball, Schlitten und Schneeball spielten. Auch Olga war dabei. Die Tochter vom Bauer F. den die Zwangsarbeiter wegen seiner Gutmütigkeit  „Vater“ nannten. Alle diese Ehemaligen gingen ans Mikrophon und erzählten kleine Episoden von damals. Viele könnten nur mit viel Mühe ihre Tränen unterdrücken. Eine sehr schöne Antikriegsveranstaltung hat heute Morgen in Oberjensingen stattgefunden. Den Organisatoren und den Gästen aus Athen, sei Dank. https://doryforos-europa.blogspot.com/2018/07/oberjensingen-120718-eine.html


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